NEUE T-SHIRTS GEGEN ALTE STRUKTUREN

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Überall Aufbruch, bei Klassikerinnen wie Florentina Pakosta, Etablierten wie Esther Stocker – und bei jungen Feministinnen.

Am Rande des Wiener Galerienwochenendes. In einem kleinen ehemaligen Tanzstudio im zweiten Bezirk. In völligem Dunkel. Glimmt es in einem wandfüllenden Spiegel plötzlich auf. Ein Logo, von dem die Wienerinnen und Wiener noch viel hören sollen – geht es nach den zwei Künstlerinnen und Aktivistinnen Iv Toshain und Anna Ceeh. Die beiden jungen Frauen, eine aus Bulgarien, eine aus Russland, merkten nämlich beide sozusagen am eigenen Leben, was vor allem in Deutschland seit geraumer Zeit diskutiert wird. Dass sich die Post-Alice-Schwarzer-Generationen mit dem Feminismus nicht so recht anfreunden können. „Es herrscht eine große Distanz zu dem Wort“, meint Toshain. Trotzdem findet sie ärgerlich, dass gerade in der Kunst über feministische Themen vor allem theoretisiert werde, das auf den Mainstream aber nicht übergreife.

 

Was Toshain/Ceeh jetzt ändern wollen. Unter dem typografisch komplexen Logo „FEMINism“ soll ein mehrjähriges künstlerisches und wissenschaftliches Projekt begonnen werden, bei dem sie durchaus auch den medialen Erfolg anderer postsozialistischer Pop-Aktivistinnen wie Femen und Pussy Riot im Hinterkopf haben. Allein mit Logo, T-Shirts, Aufklebern und Manifest (www.fxxxx.me) wird ihnen das nicht gelingen, aber die Präsentation im neu eröffneten Off-Raum „Büro Weltausstellung“ soll zumindest einen Anfang markieren. Mit fluoreszierender Farbe ist das Logo feinsäuberlich auf die Wand übertragen worden, daneben erscheint ein gespraytes „was here“, ein kleiner Hinweis auf kommende Aktionen im Straßenraum.

Krystufeks neue „Harmonien“

Ein Aufbruch. Wie auch die erste Ausstellung Elke Krystufeks seit 2009 in Wien, die gleich neben den beiden neuen Feministinnen im „Kunstraum am Schauplatz“ (beides Praterstraße 42) stattfindet – ein Sample älterer Arbeiten mit dem Titel „Harmonie. Landschaft“, das zeigt, wie die Künstlerin, die uns einst mit ihrem Körper so schockierte, nach einem anderen Weg sucht.

Zumindest künstlerisch zieht sich dieser Aufbruchsgeist durch das aktuelle Wiener Galerienwochenende, dessen Organisation selbst ein wenig von diesem gut vertragen könnte, wagt man den Vergleich zum Berliner Gallery Weekend vergangene Woche, bei dem immer die halbe Stadt auf den Beinen scheint. In Berlin werden aber auch die Eröffnungen akkordiert, während in Wien vor allem bereits laufende Ausstellungen mit längeren Öffnungszeiten versehen werden. Immerhin, man sollte sie nutzen, um einige Überraschungen zu erleben.

Wie Esther Stockers neue Arbeiten (Galerie Krobath, Eschenbachgasse 9), die die bisher so streng geordnete, geometrische Bildwelt der Künstlerin plötzlich völlig in Unordnung bringen, die immer nur mit sensiblen kleinen Irritationen versehenen Raster zu lustigen Epoxidharz-Papierknödeln zusammenballen, knittern und knüllen. Auf dem Boden, an der Wand, an der Decke stehen und hängen die Objekte wie fast ein wenig hämische Parasiten. Auch in die „klassische“ Malerei Stockers selbst ist ein neuer Zug, eine gewisse Rasanz und ungewohnte Flüchtigkeit eingekehrt, der Entstehungsort New York scheint hier abgefärbt zu haben.

Eine andere österreichische Strukturspezialistin, Florentina Pakosta, die heuer 80 Jahre alt wird, hat sich ebenfalls zu einer kleinen Erweichung durchgerungen, ihre einstürzenden und auseinanderbrechenden Balken, die sie seit 1989 malt, biegen und runden sich plötzlich zu versöhnlicheren U-Formen (Galerie Artmark, Singerstr. 17).

Um runde Strukturen, nämlich gebogene Peddigrohre, geht es mittlerweile schon traditionell auch bei Ilse Haider, die spätestens seit ihrem überlebensgroßen nackten Mann „Mr. Big“ vor dem Leopold Museum einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Diese nach vorn gewölbten Staberl-Gerüste werden durch Belichtung mit Fotoemulsion zu dreidimensionalen Foto-Objekten, die zu einem tänzelnden Schritt verführen – erst durch langsames Hin-und-Herwackeln davor erkennt das Auge die Abbildungen: Es sind berühmte weibliche Aktszenen aus Film- und Fotografiegeschichte, von Josephine Baker bis zu Hildegard Knefs „Sünderin“. Damals wurde weibliche Nacktheit als Befreiung von allen Konventionen zelebriert. Auch das war Feminismus. Facebook würde zum „Beziehungsstatus“ der alten, mittleren und neuen Feministinnen sagen: „Es ist kompliziert.“

Neue T-Shirts gegen alte Strukturen, Almuth Spiegler, 4. Mai 2013, die Presse

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